Knapp zwei Dutzend geologieinteressierte Wandernde trafen sich an diesem sonnigen und milden Herbstsonntag am Fusse des Rossbergs in Goldau.
Gemeinsam mit den Wanderleitern Christian und Valérie der Mammut Alpine School machte sich die Gruppe auf den Weg ins Bergsturzgebiet.
Goldauer Bergsturz von 1806 - die grösste Naturkatastrophe der jüngeren Schweiz
Einleitend wird ein Zeitungsbericht der Neuen Zürcher Zeitung vom 9. September 1806 vorgelesen. Diese berichtete vom «traurigen, jammervollen Tag», dem 2. September 1806 an dem «nach einem vierundzwanzigstündigen ausserordentlich heftigen Platzregen» eine «fürchterliche Errdlauwe Wohnungen, Menschen und Vieh mit sich riss». In der Tat ist der Goldauer Bergsturz die grösste Naturkatastrophe der jüngeren Schweiz. Gegen 36 Millionen Kubikmeter Gestein lösten sich am Südhang des Rossbergs und stürzten am besagten 2. September 1806 ins Tal. Dabei kamen 457 Menschen zu Tode. 102 Häuser, 2 Kirchen und 2 Kapellen wurden von den Felsmassen begraben. Gut 200 Jahre nach dem Ereignis sind dessen Spuren nach wie vor unübersehbar. Die imposante Abrisskante ist auch von Weitem deutlich ersichtlich. Und schon wenige Schritte vom Parkplatz entfernt, säumen die ersten Bergsturzblöcke den Wegrand.
Heute ist das Gebiet des Goldauer Bergsturzes ein kantonales Pflanzenschutzgebiet. Während der Bergsturz für die Menschen eine Katastrophe war, bedeutete er für die Flora einen Neuanfang. Grundlage für den heutigen ausserordentlichen Artenreichtum bietet die Vielzahl unterschiedlicher Lebensräume zwischen den Felsblöcken. Im Frühling blühen hier beispielsweise zahlreiche teils seltene Orchideenarten.
AtupriFit auf Zeitreise
Doch zurück zur Geologie - Um den Goldauer Bergsturz zu verstehen, unternehmen die AtupriFit-Gäste nach absolvierten 300 Höhenmetern beim ersten Zwischenstopp eine Zeitreise und blenden 300 Millionen Jahre zurück. Angefangen beim Superkontinent Pangäa, über das Tethysmeer, Laurasia und Gondwana weiter zu den heutigen sieben grossen tektonischen Platten. Die Wanderleiterin veranschaulicht auf dem Feldweg anhand von einem stark vereinfachten Modell die Kollision der eurasischen und afrikanischen Platte und der damit verbundenen Bildung der Alpen. Die Gesteine, die den Rossberg bildeten, wurden vor ungefähr 25 Millionen Jahren von den sich im Aufbau befindenden Alpen in Form von Schutt durch Flüsse angeschwemmt. Im Laufe der Zeit verfestigte sich dieser zu Nagelfluhbänken mit dünnen Zwischenlagen von Mergel und wurde schräg gestellt.
Im Anschluss an die gedankliche Exkursion ins Reich der Ammoniten werden 300 weitere Höhenmeter mit reeler Muskelarbeit bewältigt. Etwas weiter westlich bietet der Ochsenboden einen fantastischen Panoramablick. Zuger- und Lauerzersee, Grosser und Kleiner Mythen, Rigi und Fronalpstock. Weiter entfernt glitzern vergletscherte Berge im Sonnenlicht.
Der Einfluss der Gletscher
Ein Blick auf die Karte «Die Schweiz während des letzteiszeitlichen Maximums» bestätigt die Vermutung, dass auch das Gebiet des heutigen Goldaus vor 24’000 Jahren unter dem Eis lag. Ein Seitenarm des Reussgletschers trug dabei die schräg gestellten Gesteinsschichten am Fusse des Rossbergs ab. Damit verloren die höher gelegenen Schichten des Rossbergs ihr natürliches Widerlager. Darin liegt ein wichtiger Faktor, der 1806 zum Bergsturz führte. Ein weiterer Faktor liegt beim Aufbau der Gesteine (Nagelfluh und Mergel). Wasser drang durch Risse in den Nagelfluhbänken ein, wodurch der Mergel weich und rutschig wurde. Der schneereiche Winter und die regenreiche Periode unmittelbar vor dem Bergsturz sind somit Auslöser aber nicht Ursache der Naturkatastrophe. Der genaue Hergang ist komplex und bis heute nicht restlos geklärt, bzw. Thema verschiedener aktueller Studien.
Weitere Informationen zum Goldauer Bergsturz, zur Plattentektonik und zur Entstehung der Alpen:
Goldauer Bergsturz: http://www.goldauerbergsturz.ch/index.html
Plattentektonik:www.youtube.com/watch?v=_0tejKld8Yk
Entstehung der Alpen: https://unesco-sardona.ch/verstehen
Kreislauf der Gesteine: https://geopark-wlt.de/der-kreislauf-der-gesteine-2/
Buchtipp: Das Matterhorn aus Afrika. Die Entstehung der Alpen in der Erdgeschichte. Michael Marthalter, www.ott-verlag.ch