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Psychischer Stress und Mobbing am Arbeitsplatz

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3 Min.

Stressbedingtes Burnout, Depressionen und Mobbing scheinen heute präsenter denn je. Aber sind Arbeitgeber für diese Themen auch gewappnet? Kurt Mettler, Rechtsanwalt und CEO der SIZ Care AG, erläuterte am Atupri Talk 2017, was hinsichtlich gesetzlicher Fürsorgepflicht beachtet werden muss.

Die gesetzliche Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gilt auch bei psychischem Stress oder Mobbing am Arbeitsplatz. Dennoch sind die meisten Schweizer Arbeitgeber für den Fall von psychisch bedingten Problemen noch nicht gerüstet. So haben weniger als 20 % der Schweizer Firmen einen Prozess für den Umgang mit arbeitsbezogenem psychischem Stress (Quelle: OECD). Experte Kurt Mettler verrät, wie sich dies ändern lässt:

Wie schaffe ich als Arbeitgeber optimale Bedingungen für die Einhaltung der Fürsorgepflicht?
  • Nehmen Sie das Thema Fürsorgepflicht ernst.
  • Machen Sie sich Gedanken: Was gibt es bei Ihnen für betriebliche Risikofaktoren? Welche davon können Sie beeinflussen?
  • Ergreifen Sie Massnahmen für Risikofaktoren, die Sie beeinflussen können (z.B. http://www.stressnostress.ch/, SWiNG, Friendly Work Space).
  • Stellen Sie interne Prozesse auf und schaffen Sie eine Anlaufstelle für betroffene Mitarbeitende – diese Stelle sollte ausserhalb der Linie sein.
  • Prüfen Sie auch externe Unterstützung (gerade bei kleineren KMU).
  • Dokumentieren und kommunizieren Sie Ihre Massnahmen.

Was wenn es doch zu einem stressbedingten gesundheitlichen Problem kommt?
  • Wenn Sie ein Gesundheitsproblem erkennen, müssen Sie als Arbeitgeber sofort handeln.
  • Sprechen Sie den Arbeitnehmer frühzeitig auf das Problem an: «Mir ist etwas aufgefallen, ich mache mir Sorgen», ist immer ein guter Einstieg. So hat der Angestellte die Wahl, ob er Ihnen etwas erzählen will, oder nicht (Schutz der Persönlichkeit des Arbeitnehmers, Art. 328b OR).
  • Treffen Sie gemeinsam mit dem Arbeitnehmer konkrete Massnahmen wie regelmässige Gespräche, Angebot Pensum zu reduzieren, flexible Arbeitszeiten oder gesundheitliche Unterstützung.
  • Wichtig: Dokumentieren Sie sorgfältig alle geleisteten Massnahmen.

Wie steht es mit der Fürsorgepflicht bei Mobbing am Arbeitsplatz?
  • Eigentlich gibt es kein gesetzlicher Mobbingtatbestand, aber Persönlichkeitsverletzung kann geltend gemacht werden.
  • Als Arbeitgeber sollten Sie alles unternehmen, um Mobbing vorzubeugen bzw. zu unterbinden.
  • Stellen Sie präventiv klare Verhaltensregeln für Ihr Unternehmen auf.
  • Schaffen Sie eine Mobbing-Anlaufstelle mit Schweigepflicht (intern oder extern).
  • Wenn es zu Mobbing kommt, treffen Sie Massnahmen zur Schlichtung wie z.B. Einzel- oder Gruppengespräche.
  • Dokumentieren Sie alle getroffenen Massnahmen.
  • Bei einer gescheiterten Konfliktlösung, kann der Arbeitgeber frei entscheiden, ob er Mobbing-Täter oder Mobbing-Opfer entlässt.

Gilt bei älteren Arbeitnehmern eine erhöhte Fürsorgepflicht?
  • Ja, bei älteren Angestellten gilt eine erhöhte Fürsorgepflicht – dabei sind Alter und Dienstalter massgebend.
  • Bei Problemen muss die Kündigung der letzte Ausweg sein.
  • Sprechen Sie den Arbeitnehmer zuerst schonend auf Leistungsdefizite oder Fehlverhalten an.
  • Formulieren Sie gemeinsam klare Ziele, eine verbindliche Frist sowie die Folge bei Nichterreichen („letzte Chance“).
  • Wichtig: Dokumentieren Sie sorgfältig alle geleisteten Massnahmen.
  • Wenn es gar kein anderer Ausweg gibt: Sprechen Sie eine Kündigung äusserst rücksichtsvoll aus.

Wann kann ich als Arbeitgeber bezüglich Verletzung der Fürsorgepflicht schuldig gesprochen werden?
  • Wenn für Sie die erhöhte Belastung erkennbar war (z.B. Kurzabsenzen, deutlich wahrnehmbare Stresssymptome). Wenn nicht, hätte Sie der Arbeitnehmer darüber informieren müssen.
  • Haftbar sind Sie bei: Längerem enormem Zeitdruck/Erfolgszwang, Arbeit die nach Art/Schwierigkeit nicht bewältigt werden kann, exzessive Überwachung oder ständiger Kritik wegen ungenügendem Leistungsumfang, Mobbing, ungünstige äussere Bedingungen (wie Lärm, Hitze), Verstoss gegen das Arbeitsgesetz.
  • Nicht haftbar sind Sie: Wenn sich der Stress unmittelbar aus dem Stellenbeschrieb ergibt (z. B. als Förster bei jedem Wetter nach draussen müssen). Dieser kann vom Arbeitgeber nicht verhindert werden.
  • Der Kausalzusammenhang zur Arbeitssituation muss gegeben sein: Die gesundheitlichen Probleme müssen klar und nachweislich Folge der Arbeitsbelastung sein – und nicht durch externe Umstände wie z.B. eine schwierige Familiensituation.
  • Eine Schädigung muss immer vom Arbeitnehmer bewiesen werden. Dabei genügt eine temporäre Überbelastung nicht, sie muss über eine längere Zeit sein.
  • Die Schädigung wird vom Standpunkt des Betroffenen aus beurteilt: Massstab ist, was der Arbeitnehmer leisten kann, nicht was er leisten sollte – ein 20 Jähriger kann nicht mit einem 60 Jährigen verglichen werden.

Was, wenn ich als Arbeitgeber schuldig gesprochen werde?
  • Der Arbeitnehmer hat das Recht auf Kündigung (fristlos bei Unzumutbarkeit der Weiterarbeit).
  • Der Arbeitnehmer kann die Arbeitsleistung verweigern, wenn die Verletzung der Fürsorgepflicht diese unmöglich macht.
  • Der Arbeitnehmer kann Schadenersatz- und Genugtuungs-Ansprüche geltend machen.

 

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