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Blog_Psychotherapie
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Der Schritt zur Psychotherapie

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2 Min.

Der erste Schritt zu einer Psychotherapie fällt vielen schwer. Vielfach sind enorme Hemmschwellen vorhanden, sich zu einer Therapie anzumelden. Auch bei Menschen, die es wirklich nötig hätten. Was macht diesen Schritt für manche so schwer?

Gründe für verspätete Psychotherapie

Leider ist der Weg zur Psychotherapie immer noch mit Vorurteilen und daher mit Schamgefühlen gepflastert. Diese Vorurteile beruhen zum Teil auf noch alten Vorstellungen über Psychotherapie. Witze in der Gesellschaft oder absurde Darstellungen in Filmen über Psychotherapeuten oder die Psychotherapie allgemein zementieren eigentlich längst überholte Vorstellungen. Psychotherapie ist in unserer Gesellschaft immer noch ein Stigma: Wer eine Psychotherapie benötigt, ist «für nicht ganz voll zu nehmen» und wird abgewertet. Oder man hat Angst, deswegen abgewertet zu werden. Es scheint es auch kulturelle Unterschiede in der Haltung gegenüber der Psychotherapie zu geben. In den USA zum Beispiel ist es kein Problem, in der Öffentlichkeit dazu zu stehen, wohingegen es in der Schweiz lieber verschwiegen wird.
 

Einen weiteren Unterschied gibt es zwischen Männern und Frauen: Männer sind oft zu stolz, sich in eine Psychotherapie zu begeben, weil sie dies als Schwäche betrachten. Sie neigen eher dazu, ihre Probleme im Alkohol zu ertränken. Frauen tun sich etwas leichter, sich in einer Psychotherapie Hilfe zu holen. Viele Menschen warten zu lange, bis sie sich für eine Psychotherapie entschliessen, weil sie verbissen versuchen, ihr Problem doch noch irgendwie selbst zu lösen, auch wenn die Lösung schon längst selbst zum Problem geworden ist.
 

Auch politische Gründe verhindern manchmal einen adäquaten Zugang zu einer Psychotherapie. Immer mehr Psychiater in der Schweiz nähern sich dem Pensionsalter und es gibt nicht genügend jüngere Nachfolger. Psychologen, die ebenfalls Psychotherapie anbieten, dürfen aber nicht in der Grundversicherung abrechnen, ausser sie arbeiten angestellt zu einem Mindertarif bei einem Psychiater (sog. «delegierte Psychotherapie»). Da sich viele Psychologen weigern, diesem System zu folgen und lieber über die Zusatzversicherung arbeiten, und es zu wenig Psychiater gibt, haben Patienten, die eine Psychotherapie suchen, oft mit langen Wartefristen zu rechnen, in denen sich ihr Problem eher verschlimmert.


Argumente für eine Psychotherapie

Wenn mein Auto defekt ist, gehe ich zum Mechaniker. Wenn mein Zahn schmerzt, gehe ich zum Zahnarzt. Wenn ich juristische Beratung brauche, gehe ich zum Anwalt. Wenn ich emotionale Hilfe benötige, muss ich alleine zurechtkommen? Warum eigentlich? Soziale Unterstützung ist eine der wichtigsten Ressourcen im Leben. Manchmal lohnt sich eben ein Spezialist für ein spezifisches Problem, der mir hilft, dieses rascher zu lösen.


Wie finde ich den richtigen Psychotherapeuten oder die richtige Psychotherapeutin?
  1. Recherchieren Sie, welche Art von Therapie für Ihr Anliegen am wirksamsten ist (Studien, Expertenbefragung, Google, Herumhören im Bekanntenkreis etc.).
  2. Suchen Sie sich die Adresse eines Therapeuten / einer Therapeutin heraus, die eine solche Therapie anbietet und vereinbaren Sie ein Erstgespräch. Überprüfen Sie auch, ob die persönliche Wellenlänge für Sie stimmt.
  3. Wenn Sie das Gefühl haben, die angefangene Therapie bringe Ihnen nichts (nach ca. 10 Sitzungen ohne irgendeine Verbesserung) oder Sie finden den Draht zum Therapeuten nicht, besprechen Sie das mit ihm. Wenn sich diesbezüglich nichts für Sie verbessert, gehen Sie und suchen Sie sich einen anderen, wo es besser passt. Überprüfen Sie aber ehrlich, ob Sie nicht vor sich selber bzw. vor der Konfrontation mit Ihrem Problem flüchten.

 

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