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Eine Wanderung hoch über dem Urserental. Mit herrlichen Aus- und Tiefblicken. Mit hübschen Wanderjuwelen am Wegrand. Und Geschichten von heute und damals.

 

«Ich dachte immer, beim Golfen gehe es darum, einen kleinen Ball in ein kleines Loch zu versenken. Wissen die denn nicht, dass wir hier im Urschnertal oft den Twärr, den bissigen Westwind, der vom Furka herunterbläst, haben?» So gehört von einem bärtigen Einheimischen vor vielen Jahren in der Beiz in Hospental, als Samih Sawiris mit seinen Resort-Bauplänen in Andermatt warb.

Nun, Sawiris ist nach Andermatt gekommen und hat gebaut. Und baut weiter, diesen Sommer zählen wir acht Kräne, welche neue Apartmenthäuser in Andermatt Reuss hochziehen. Und auf dem Golfabschlagplatz steht ein Golfer in karierten Hosen und übt seinen Abschlag. Fast ganz ohne bissigen und störenden Wind. Vom Bahnhof Andermatt folgen wir der Signalisation des Furka-Höhenwegs, der Nr. 51. Er bringt uns dorfauswärts, vorbei am Naturschutzgebiet Bäz und dem Golfplatz, auf die Nordseite des Urserentals Richtung Furka. Wir treffen einen Älpler mit Hund beim Zäunen, er erzählt uns, dass im Sommer 7000–8000 Schafe im Hochtal gesömmert werden. Herdenschutzhunde gebe es nicht und ja, der Wolf habe auch hier letzten Sommer Schafe gerissen.

 

Drei Wanderjuwelen

Durch blühende Alpwiesen geht es bergan durch die Planggen Richtung Rossmettlen. Das Auge schweift über das Bergpanorama und die Furkapassstrasse, mit der im James-Bond-Film Goldfinger verewigten «Goldfingerkurve» und dem Hotel Belvedere. Hinter uns ragen Nätschen, Rossbodenstock und Gemsstock über Andermatt auf, vor uns grüssen nebst vielen anderen Gipfeln Winterhorn, Piz Rotondo und das Gross Muttenhorn. Auf der Höhe angelangt, folgen drei versteckte Wanderjuwelen: das Luterseeli, das Trübseeli und das Blauseeli. Wobei die ersteren beiden auf der schweizerischen Landeskarte nicht als Seeli, sondern als See bezeichnet werden, also stets Wasser haben, während das Blauseeli einen stark wechselnden Wasserstand hat. Schweizerische Präzision in der Darstellung halt!

 

Das kleinste Dorf der Schweiz

Wer ins Tal hinunterschaut, entdeckt Zumdorf, das offiziell «kleinste Dorf der Schweiz». Eine dreiköpfige, ganzjährig hier wohnhafte Familie, eine Beiz, eine Kapelle und zwei Ferienhäuser. Kaum vorstellbar: Das Ende des 12. Jahrhunderts von Walsern gegründete Dorf hatte einst 50 Einwohner, wurde aber 1851 von einer Lawine fast vollständig zerstört. Vorbei am hübschen Blauseeli und je nach Wasserstand nach dem obligaten Skinny-dip türmen sich dann mächtig und stotzig die Granitriesen von Gross Furkahorn, Gross Bielenhorn, Galenstock und Winterhorn vor uns auf. Eine einmalige, beeindruckende Urner Postkartenansicht.

Bei der Flussverbauung Lochbergbach müssen wir eine Entscheidung treffen. Wie so oft im Leben und auf Wanderungen. Entweder Sie haben in der Albert-Heim-Hütte vorab einen Schlafplatz reserviert, wandern dorthin weiter (3,4 km, 521/14 HM, cirka 1:45 h) und machen aus der Tageswanderung so eine 2-Tageswanderung. Oder Sie steigen hier im Zickzack durch schattigen, kühlenden Bergwald nach Realp ab. Von wo aus die Furka-Oberalp-Bahn Sie zurück nach Andermatt und ins Unterland bringt. Doch bevor Sie hinuntersteigen, schauen Sie die dialektal herrlichen Flurnamen auf der Landeskarte rundherum an: Auf dem Lauital, Auf dem Ding, Himmelbiel, Öfeli usw.!

 

Das Stauseeprojekt Andermatt

Wenn Sie dann auf der Fahrt zurück aus dem Zugfenster schauen, hier noch eine letzte Geschichte aus dem Urserental: Vor etwas über hundert Jahren gab es die Idee, das gesamte Urserental von Andermatt über Hospental bis Realp mit einem 218 Meter hohen Staudamm in der Schöllenenschlucht unter Wasser zu setzen. Rund 2000 Talbewohner hätten ihr ganzes Hab und Gut verloren. Als die CKW 1946 den Ingenieur Karl J. Fetz ins Tal hochschickte, um über die Landkäufe zu verhandeln, prügelte ihn ein Mob von 250 Menschen aus dem Hotelzimmer und letztlich aus dem Urserental. Das Projekt wurde dann zwar noch eingereicht, 1951 aber zurückgezogen. So dürfen wir dank dem Widerstand der zornigen «Ürner Grinde» auch heute noch dieses herrliche Urseren-Hochtal erleben, erwandern und geniessen. Viel Spass.

Karte Kultur Familie Natur Kondition
50
Start Bahnhof Andermatt
Ziel Bahnhof Realp

Anreise

mit ÖV oder PW via Göschenen und durch die Schöllenenschlucht
Rückreise

mit ÖV ab Bahnhof Realp

Charakteristik

aussichtsreiche Bergwanderung, auf rot-weiss markierten Wanderwegen

Route

Bahnhof Andermatt, 1435 m – Rotenboden, 1607 m – Lutersee, 1980 m – Blauseeli, 2135 m – Lochbergegg, 2018 m – Bahnhof Realp, 1538 m

Zeit

ca. 5:30 h

Distanz

15,6 Kilometer

Höhendifferenz

915/815 Höhenmeter

Ausrüstung Wanderausrüstung, Picknick, Feldstecher
Verpflegungsmöglichkeiten in den Talorten Andermatt und Realp
Wanderkarten 25’000 Nr. 1231 Urseren
Geheimtipps Badehose mitnehmen und reinhüpfen in eines der Bergseeli unterwegs

 

Dominik Abt

Dominik Abt, Wanderleiter SBV, leitet Wanderungen und Trekkings in der Schweiz und weltweit.

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