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Chronischer Stress
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Hilfe, ich kann nicht mehr …

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4 Min.

Chronischer Stress schwächt das Immunsystem

Akuter Stress kurbelt das Immunsystem kurzzeitig an, chronischer Stress schwächt es hingegen stark: Die Anfälligkeit für Erkrankungen steigt.

Das Immunsystem ist ein komplexes System, das uns vor schädlichen Erregern schützt und körpereigene Zellen, die sich bei der Zellteilung fehlerhaft entwickelt haben, erkennt und eliminiert. Die unspezifische Immunabwehr umfasst natürliche Barrieren für potenzielle Erreger und löst entzündliche Reaktionen aus. Sie ist angeboren und unveränderbar – im Gegensatz zur spezifischen Immunabwehr: Diese ist «lernfähig» und bildet z.B. Antikörper gegen Erreger, mit denen der Körper in Kontakt tritt. Unter starkem Stress verändert sich jedoch die Aktivität des Immunsystems.

Wie wirkt Stress auf das Immunsystem?

Bei akutem Stress – z.B. in einer Prüfungssituation – verstärkt das Immunsystem die unspezifische Abwehr. Aus evolutionärer Sicht hat dies durchaus einen Sinn: Da Stress früher vor allem aus lebensgefährlichen Situationen hervorgegangen ist, bereitet sich der Körper darauf vor, drohende körperliche Schäden schnell wieder zu heilen. Die spezifische Abwehr hingegen wird dabei heruntergefahren – sie wird in bedrohlichen Situationen weniger gebraucht, als die unspezifische.

Bei akutem Stress erhöht sich die Zahl der weissen Blutkörperchen, Fresszellen und natürlichen Killerzellen (NK-Zellen), letztere werden gleichzeitig aktiver.  Bestandteile der spezifischen Abwehr, wie etwa T-Lymphozyten, vermehren sich hingegen langsamer. Dies hat den Zweck, dass sich das Immunsystem stärker auf die unspezifische Abwehr konzentrieren kann.

Was passiert bei chronischem Stress?

Von chronischem Stress ist dann die Rede, wenn eine langandauernde Belastung vorliegt. Die Ursache kann einerseits ein traumatisches Erlebnis wie der Tod eines Ehepartners sein, aber auch Überforderung im Beruf, die Pflege Angehöriger oder Lebensumstände, die die Psyche dauerhaft belasten.

Während bei akutem Stress nur die spezifische Abwehr gedrosselt wird, leidet bei chronischem Stress sowohl die spezifische als auch die unspezifische Immunabwehr. Es teilen sich also nicht nur die spezifischen Immunzellen langsamer, sondern auch weisse Blutkörperchen, Fresszellen und NK-Zellen. Die Gesamtzahl- und Aktivität der Immunzellen im Blut sinkt – die Immunabwehr ist dadurch geschwächt.

«Magengeschwüre bekommt man nicht von dem, was man isst, man bekommt sie von dem, wovon man aufgefressen wird.»

Lady Mary Wortley Montagu, englische Schriftstellerin (1689–1762)
 

Welche Auswirkungen hat chronischer Stress auf das Immunsystem?

Unzählige Untersuchungen haben sich bereits mit der Auswirkung von Stress auf das Immunsystem befasst (Psycho-Neuro-Immunologie). Alle kamen zu demselben Ergebnis: Wer dauerhaft gestresst ist, wird eher krank, da Viren, Bakterien und Keime weniger Gegenwehr haben. Das betrifft akute Infektionen, aber auch chronische Erkrankungen. Atopische Dermatitis-Patienten etwa können auf starken Stress mit einem Schub reagieren, Fieberblasen kommen in stressigen Perioden häufiger zum Vorschein.

Aber nicht nur die Anfälligkeit für Erkrankungen steigt: Auch der Heilungsprozess kann sich durch chronischen Stress verlängern. Wunden etwa heilen langsamer, Impfungen sind weniger effektiv.

Zudem begünstigt Stress die Entstehung von Krebs: Bei der Zellteilung kommt es in unserem Körper häufig zu «Fehlern». Mutierte Tochterzellen – Krebszellen – sind das Ergebnis. In diesem Fall werden die natürlichen Killerzellen auf den Plan gerufen und zerstören die mutierte Zelle.  Bei chronischem Stress ist die Zahl und Aktivität der NK-Zellen jedoch erniedrigt – Krebszellen können sich also eher vermehren, bevor sie unschädlich gemacht werden, als bei einem intakten Immunsystem.

Was kann ich gegen chronischen Stress tun?

Bei chronischem Stress ist der erste Schritt immer die Reduzierung von Belastung. Alles, was als belastend empfunden wird und abgegeben werden kann, sollte beigelegt werden – seien es freiwillige Überstunden, zu ehrgeizige, hochgesteckte Ziele im Beruf oder die ehrenamtliche Vereinstätigkeit in der Freizeit.

Regelmässiger Sport, und zwar solcher, den man besonders gerne ausübt, ist ein hervorragendes Anti-Stress-Mittel. Ausserdem existiert eine grosse Zahl an Übungen für Körper und Geist wie etwa Yoga, Meditation, autonomes Training, Qi-Gong oder progressive Muskel-Entspannung, die uns sprichwörtlich wieder ins körperliche und seelische Gleichgewicht bringen können. Welche Methode für wen am besten geeignet ist, kann man durch ausprobieren am besten selbst herausfinden.

Ist die Ursache des Dauerstresses ein psychisches Trauma, ist eine Psychotherapie anzuraten. In besonders schweren Fällen, etwa bei einem bereits diagnostizierten Burn-Out-Syndrom, können auch Medikamente wie Antidepressiva zum Einsatz kommen.

Quelle: netdoktor.at

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