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Masern
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Impfen oder nicht?

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5 Min.

Impfskepsis führt zu Masern-Ausbrüchen

Alternative Einstellungen und Lebensweisen haben alle ihre Berechtigung, solange sie keine Gefährdung für die Menschen der eigenen Umwelt darstellen. Sich selbst und seine Kinder bewusst nicht gegen eine tödliche Krankheit impfen zu lassen, ist so eine Entscheidung, die schlimme Folgen haben kann und aufgrund der schwindenden Herdenimmunität auch andere als nur die eigene Familie betrifft.

Die Impfskepsis hat in den letzten Jahren rapide zugenommen. Das spiegeln im Moment die Masern-Erkrankungszahlen wider:

  • 41.000 Menschen in Europa haben sich im ersten Halbjahr 2018 mit dem Virus infiziert.
  • Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) dokumentierte 37 Todesfälle.
Durchimpfungsrate von 95% nötig

Wer sich bzw. seine Kinder nicht gegen Masern impfen lässt, riskiert nicht nur eine folgenschwere Ansteckung mit Masern, sondern gefährdet auch andere. Eine hohe Durchimpfungsrate ist unerlässlich, um die zu schützen, die nicht geimpft werden können. Das sind:

  • Säuglinge
  • Krebspatienten
  • Menschen mit geschwächtem Immunsystem

Masern haben den Ruf einer harmlosen Kinderkrankheit; das ist ein fataler Irrglaube. Erwachsene erkranken genauso wie Kinder und von harmlos kann ganz und gar nicht die Rede sein.

Masern in der Schweiz

Im 2018 wurden bis 21. November 2018 48 Masernfälle gemeldet, was im Vergleich zum selben Zeitraum im 2017 mit 105 Fällen ein Rückgang von 54% Prozent bedeutet. 84% der Fälle waren nicht oder nur unzureichend geimpft. 20% der Fälle mussten hospitalisiert werden; bei 5% der Fälle wurde eine Pneumonie, bei 0.7% (1 Fall) sogar eine Enzephalitis diagnostiziert.

Ausbrüche 2017

Die dreizehn Ausbrüche, welche 2017 verzeichnet wurden, sowie die sechs 2018 festgestellten Ausbrüche umfassten je zwischen 2 und 22 Fälle und traten – teils grenzüberschreitend – in neun verschiedenen Kantonen auf. So waren es beispielsweise in Neuenburg und Waadt 8 junge Kinder, von denen nur gerade eines geimpft war; bei anderen Fällen wurde der Erreger aus dem Ausland eingeschleppt und dann in Schulen oder Kindertagesstätten verbreitet. Und wenn dann ein solcher Fall ausbricht, dann trifft es die bis zu 90% ungeimpften Kinder oder Jugendlichen!


Die gängigsten Masern-Irrtümer

1. Masern sind harmlos

Wer in der ersten Hälfte der Sechzigerjahre oder früher geboren wurde, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit in Kontakt mit Masernviren gekommen. Da sie selbst die Masern heil überstanden haben, glauben viele Eltern, die Krankheit sei harmlos. Sie beginnt mit Husten und einer Augenentzündung; dann kommen Fieber und rote Flecken im Gesicht und auf dem ganzen Körper hinzu. Nach einigen Tagen klingen die Symptome ab. In ungefähr neun von zehn Fällen nimmt die Krankheit tatsächlich keinen schlimmeren Verlauf.

Doch das bedeutet keineswegs, dass Masern harmlos sind. Es besteht das Risiko schwerwiegender Komplikationen wie Lungen- und Gehirnentzündung. Letztere tritt bei rund einem von 1000 Kindern auf, die an Masern erkranken. Diese Masern-Enzephalitis führt häufig zu bleibenden Hirnschäden oder gar zum Tod. Auch der Verlust des Gehörs kann zu den Folgen gehören. Laut Schätzungen des BAG käme es in der Schweiz ohne Impfschutz zu etwa 70'000 Erkrankungen und zu 15 bis 40 Todesfällen pro Jahr.

2. Die Impfung ist riskant

Keine Impfung ist ohne Risiko. Sie «trainiert» ja das Immunsystem, das mit einer mehr oder weniger heftigen Immunantwort reagiert. Bei der kombinierten Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) kann nach fünf bis zwölf Tagen Fieber auftreten, das zwei bis drei Tage dauert. Auch ein vorübergehender Ausschlag ist möglich. Sehr viel seltener sind dagegen schwerwiegende Reaktionen wie eine Hirnhautentzündung. Sie tritt in etwa einem von einer Million Fällen auf – also etwa 1000-mal seltener als bei der Erkrankung selbst.

3. Wer die Masern durchmacht, macht einen Entwicklungssprung

«Was dich nicht umbringt, macht dich stärker.» Manche Impfgegner sind der Meinung, eine überstandene Infektionskrankheit härte Kinder gewissermassen ab. Manche Eltern wollen bei ihren Kindern sogar einen Entwicklungssprung nach einer durchstandenen Krankheit beobachten. Sie vertreten die These, Kinderkrankheiten seien für die normale Entwicklung der Kinder förderlich – und Impfungen verzögerten diese.

Bisher hat jedoch keine wissenschaftliche Studie nachweisen können, dass ungeimpfte Kinder einen geistigen oder körperlichen Entwicklungsvorsprung auf geimpfte besitzen. Zynisch wird das Argument übrigens spätestens dann, wenn ein Kind an einer Krankheit stirbt, die es geimpft gar nicht bekommen hätte.

4. Impfungen lösen die Krankheiten aus, vor denen sie schützen sollen

Dies ist ein weiteres beliebtes Argument von Impfgegnern – aber es trifft nicht zu. Hintergrund ist die Tatsache, dass manche Impfstoffe – jene, die abgeschwächte, noch lebende Erreger enthalten – Symptome hervorrufen, die jenen der Krankheit ähneln. Der Masern-Impfstoff gehört dazu; er enthält ein abgeschwächtes, aber noch vermehrungsfähiges Virus.

Aus diesem Grund bekommen etwa fünf Prozent der Geimpften nach rund einer Woche einen Hautausschlag und Fieber, die sogenannten «Impfmasern». Nur in extremen Ausnahmefällen tritt auch eine Masern-Enzephalitis auf – und dann oft bei Menschen, die zum Beispiel wegen einer Erkrankung des Immunsystems gar nicht hätten geimpft werden dürfen.

5. Der Nestschutz durch die Mutter ist ausreichend

Bereits vor der Geburt übertragen Schwangere Antikörper über den Blutkreislauf auf das Ungeborene. Nach der Geburt erhält das Baby Abwehrstoffe mit der Muttermilch – dieser sogenannte Nestschutz besteht allerdings nicht bei allen Infektionskrankheiten und überdies nur in den ersten Lebensmonaten.

Bei den Masern bewirkt das Stillen keinen Nestschutz. Die bereits im Mutterleib übertragenen Abwehrstoffe schützen den Säugling jedoch für eine gewisse Zeit vor den Masern – wobei die Dauer des Nestschutzes bei gegen Masern geimpften Müttern mit bis zu sechs Monaten kürzer ist als bei Müttern, die die Masern selbst hatten. Bei diesen dauert er maximal zehn Monate. Bei Diphtherie und Tetanus hingegen besteht Nestschutz nur bei jenen Müttern, die gegen diese Krankheiten geimpft wurden.

6. Man kann trotz Impfung erkranken

Es gibt keine absolute Sicherheit. Das gilt auch für Impfungen. Kein Impfstoff kann alle Geimpften vollumfänglich schützen. Die entscheidende Frage ist vielmehr, wie stark eine Impfung das statistische Erkrankungsrisiko senken kann. Bei der Masern-Impfung ist dieser Wirkungsgrad sehr hoch: Von einer geimpften Population erkranken im Schnitt nur zwei bis drei Prozent. Ohne Impfschutz sind es dagegen nicht weniger als 97 bis 98 Prozent, denn die Masern sind hoch ansteckend.

Damit die Masernimpfung wirkt, müssen zwei Impfdosen verabreicht werden, da viele Menschen auf die erste Impfung nicht ansprechen und die Antikörper gegen die Masernviren erst nach der zweiten Dosis enwickeln. Die erste Dosis sollte im Alter von zwölf Monaten erfolgen, die zweite zwischen 15 und 24 Monaten, frühestens aber einen Monat nach der ersten.

 

Quellen: BAG, Watson, netdoctor.at

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