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Freude
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Freude ist die einfachste Form der Dankbarkeit.

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4 Min.

Vom Glück der kleinen Dinge

Der Mönch und Bestseller-Autor Anselm Grün über die Wege, die zum persönlichen Glück führen.

«Wie geht es dir?» – So wird man häufig gefragt. Interessiert es das Gegenüber wirklich? Manche antworten dann: «Ich bin zufrieden». Das kann bedeuten: Es geht mir nicht ganz gut. Aber ich bin zufrieden mit dem, was ist. Ich habe vielleicht ein paar kleine gesundheitliche Probleme, aber im grossen ganzen bin ich – zufrieden.

Jemand, der zufrieden ist, muss sein Leben nicht in allen Superlativen loben. Es kann uns sogar berühren, wenn jemand so zufrieden ist.

Zufriedenheit.

Es gibt aber auch eine satte Zufriedenheit, die eher unangenehm auffällt. Die Zufriedenheit von Menschen, die sich nur auf ihr eigenes Leben beschränken und die nichts anderes interessiert.

Zufriedenheit hat auch mit anderen Haltungen zu tun. Unter anderem mit Glück. Wir sind glücklich, wenn wir zufrieden sind, wenn wir im Einklang stehen mit uns und unserem Leben. Das Leben, das wir führen, genügt uns. Was uns zum nächsten führt: Der Genügsamkeit.

Genügsamkeit.

Wer genügsam ist, der ist auch zufrieden. Er hat keine übertriebenen Ansprüche. Und zur Genügsamkeit gehört auch die Einfachheit.

Es gibt Menschen, für die es nie genug ist. Sie können nicht genug essen oder trinken oder konsumieren. Das deutsche Wort «genügsam» beinhaltet ja nicht umsonst «genug». Wer genügsam ist, wer sich mit Wenigem begnügt, der ist auch vergnügt, der findet darin sein Vergnügen. Ich vergnüge mich, wenn mir das, was ich gerade erlebe, genug ist. Wer sich nicht begnügen kann, wird nie zufrieden sein.

Eine Ursache für das Gefühl, nicht genug zu haben, ist die Angst, dass wir in den Augen der anderen nicht gut genug sind. Viele haben in ihrer Kindheit erfahren, dass sie den Ansprüchen der Eltern nicht genügten. Das Gefühl, nicht gut genug zu sein, prägt sie das ganze Leben. Wir haben in uns ein nicht genügendes Kind, das sich immer wieder zu Wort meldet.

Das nicht genügende Kind.

Es wäre gut, dieses nicht genügende Kind in den Arm zu nehmen und zu sagen: «Für mich bist du gut genug. Es ist gut, wie du bist». Dann wird es langsam leiser in mir.

Die zweite Ursache für das Gefühl, nicht zu genügen, ist das Vergleichen. Solange ich mich mit anderen vergleiche, habe ich immer das Gefühl, dass ich nicht genug habe und dass ich nicht gut genug bin. Es gibt immer Menschen, die besser reden können als ich, die mehr Geld haben, mehr Erfolg, mehr Einfluss. Solange ich mich mit andern vergleiche, werde ich nie zufrieden sein können mit dem, was ich effektiv habe.

Wenn ich genug habe, wenn ich mir selber genüge, dann werde ich dankbar sein können.

«Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.»

Sören Kierkegard, Philosoph (1813–1855)


Dankbarkeit

Voraussetzung für die Dankbarkeit ist, dass ich innehalte und das, was ich in diesem Augenblick erlebe, auch wahrnehme. Wir übergehen oft die Gelegenheiten, in denen wir dankbar sein könnten. Bruder David Steindl-Rast, der die Dankbarkeit in die Mitte seiner Spiritualität gestellt hat, sieht einen Dreischritt: «Stop! Look! Go! Halt inne, sonst läufst du an der Gelegenheit vorbei, die sich dir hier und jetzt bietet. Schau genau hin, damit du die Gelegenheit erspähst. Und tu etwas, pack die Gelegenheit beim Schopf».

Dankbarkeit bedeutet nicht, dass man bei jeder Gelegenheit Danke sagen muss. Kinder drücken ihre Dankbarkeit dadurch aus, dass sie sich freuen. Freude und Dankbarkeit ergänzen einander. Freude ist Ausdruck der Dankbarkeit. Und umgekehrt ist Dankbarkeit der Schlüssel zur Freude.

Dankbarkeit muss geübt werden. Es gilt, immer wieder innezuhalten, und wahrzunehmen, was der Augenblick mir sagt, um dann auch dankbar darauf zu reagieren. Wenn ich Dankbarkeit einübe, dann wird sich mein Leben verwandeln. Dann gilt:

«Ich bin nicht dankbar, weil ich glücklich bin, sondern ich bin glücklich, weil ich dankbar bin.»

Albert Schweitzer meinte einmal: Gerade dann, wenn es mir nicht so gut geht, sollte ich etwas suchen, wofür ich dankbar sein kann. Und es gibt immer etwas!

Literatur: Anselm Grün, «Vom Glück der kleinen Dinge», Vier-Türme-Verlag, ISBN 978-3-7365-0133-1
 

«Überall, wo wirklich Leben ist, ist auch eine Spur von Glück.»

Dr. theol. Anselm Grün (*1945), Benediktinerpater, Verwalter der Abtei Münsterschwarzach, Lehrer und Autor.

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