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Die Periode enttabuisiert
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Die «Tage» der Frauen

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3 Min.

Eine Bachelorarbeit mit Nebengeräuschen

Menstruation! Während dieses Wort bei vielen Frauen Unterleibsschmerzen hervorruft, halten sich die meisten Männer reflexartig die Ohren zu. Die Periode? Das geht mich nichts an!

Allein in diesem Moment menstruieren weltweit über 330 Millionen Menschen. Tatsache. Obwohl acht von zehn Frauen in Deutschland teils starke Periodenbeschwerden erleiden, redet nur jede 5. Frau mit ihrem Partner darüber. In Entwicklungsländern wie Bangladesch gehen bis zu 70 Prozent der Fabrikarbeiterinnen während ihrer Periode nicht zur Arbeit – in Indien bleiben neun von zehn Mädchen während der Monatsblutung der Schule fern. Gleichzeitig landen jährlich rund 45 Milliarden Tampons und Binden im Müll – die meisten nur geringfügig ökologisch abbaubar. Und das alles geht uns nichts an?

«Das Thema geht so gar nicht, sorry. Das ist eine Art Tabuthema.»

Koordinationsstelle der Universität


Das Tabuthema aufgerollt

Als ich meine Bachelorarbeit zum Thema «Menstruation und Tabu» an meiner Hochschule anmelden wollte, riet mir die Koordinatorin jedenfalls davon ab. «Das ist eine Art Tabuthema», hiess es.

Obwohl essenziell für die menschliche Existenz hat die Menstruation ein schlechtes Image. Schuld daran sind Jahrtausend alte kulturelle Irrglauben, religiöse Mythen und wissenschaftlicher Humbug.

Über 2000 Jahre lang konnte sich niemand so richtig den Sinn dieser mysteriösen Monatsblutung erklären. Man kam deshalb zum Entschluss, sie sei überflüssig (Hippokrates, ca. 400 v. Chr.), giftig (Paracelsus, 1566) und ausserdem Grund dafür, Frauen besser nicht an Universitäten zuzulassen (Dr. Edward Clark, 1874).

Laut der Heiligen Hildegard von Bingen (römisch-katholische Kirche) ist sie als Strafe für die Verfehlung Evas zu sehen. Und im Altem Testament ist zu lesen, dass Menstruierende aufgrund ihrer «Unreinheit» sicherheitshalber für die Zeit von sieben Tagen aus der Gesellschaft auszuschliessen und zwei junge Tauben zu opfern seien.

Vorurteile und Nachteile für Frauen

Noch in den 1960er Jahren verloren Frauen ihren Job, weil man annahm, dass sie durch Hautausdünstungen während ihrer Periode materiellen Schaden anrichteten. Und noch im Jahr 2015 wurde öffentlich in Frage gestellt, eine Frau zur Präsidentin zu machen – was uns wohl blühe, wenn sie «diese Zeit im Monat» hätte und vor lauter Menstruationsfrust womöglich die Atombombe zündet!

95 Prozent der Mädchen in Nepal erleben noch heute mit dem Beginn ihrer Periode starke Einschränkungen in Bildung, Alltag und Sozialleben– einige werden bis zu sieben Tage lang in «Menstruationshütten» geschickt, weil sie als «unrein» gelten.

Weltweit fühlt sich jede zweite Frau während ihrer Periode in sozialen Situationen unwohl. Jede Vierte hat schon mal Schule, Arbeit oder eine Veranstaltung verpasst – aus Scham.

Zeit für eine neue Sicht!

Letztlich konnte ich meine Hochschule überzeugen: Das Menstruationstabu betrifft nicht nur ökologische, soziale und gesundheitliche Faktoren – darüber hinaus greift es auch die Würde des Menschen an. Längst ist es an der Zeit, unsere Tabuschwelle zu überwinden und darüber zu sprechen.

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